(Senioren-Seelsorge, 2009/ 2018) - Um Ihnen einen kleinen Einblick in unsere Arbeit zu ermöglichen, möchte ich Ihnen die Geschichte einer Klientin erzählen, welche 2006 geschlossen untergebracht werden sollte und von uns bis zu ihrem Tod zu Hause versorgt wurde.
Frau Meier (der Name wurde geändert) kam auf Grund gesundheitlicher Probleme ins Krankenhaus. Dort meinten die Ärzte, dass sie aufgrund ihrer Demenz nicht mehr nach Hause könne und in ein Altenheim umziehen müsse. Da Frau Meier das auf keinen Fall wollte und man davon ausgehen musste, dass sie weglaufen würde, wurde eine geschlossene Unterbringung angeregt.
Ihre Wohnung war in einem sehr verschmutzten Zustand wie auch die Katze der damals 80-jährigen Dame. Es roch nach Katzenurin und überall hingen Katzenhaare. Die Gardinen waren seit mehreren Jahren nicht mehr gewaschen worden, dass Bett war durchgelegen und zusammengebrochen. Der Wasserhahn in der Küche tropfte ständig und spritzte beim Öffnen in alle Richtungen. Des Weiteren gab es kaum Licht in der Wohnung, da die meisten Lampen defekt waren.
Da auch die Angehörigen der Dame nicht wollten, dass ihre Mutter in ein Heim kommt, baten sie uns um Hilfe. Wir erfuhren, dass Frau Meier bisher jegliche Hilfe verweigert hat und niemanden an sich heran ließ.
Um ein erstes Vertrauen aufzubauen begannen wir Frau Meier regelmäßig im Krankenhaus zu besuchen. Sie erzählte uns von ihrer Wohnung und ihrer Katze, die sie sehr vermisste. Über die regelmäßigen Besuche war sie sehr erfreut und vertraute uns an, dass sie wieder nach Hause möchte.
Nebenbei nutzten wir nach Absprache mit den Angehörigen die Zeit, die Wohnung zu reinigen und den Müll zu entsorgen, den Wasserhahn und das Bett zu reparieren sowie mit einer altersgerechten Matratze auszustatten. (ca. 120 Arbeitsstunden) Während dieser Arbeiten fiel uns auf, dass Frau Meier vermutlich auch ein Alkoholproblem hat, da in der Wohnung mehrere leere Rotweinflaschen standen.
Nachdem die Wohnung grundgereinigt und wieder instand gesetzt worden war, konnte Frau Meier wieder nach Hause. Aufgrund ihrer Demenzerkrankung entschieden wir uns zuvor noch den Herd abzuklemmen und sämtlichen Alkohol aus der Wohnung zu entfernen.
Die Versorgung nach ihrer Entlassung sah wie folgt aus:
Wir bemühten uns bei der Versorgung auf die Bedürfnisse von Frau Meier einzugehen und sie ihren Gewohnheiten gemäß zu betreuen. Dadurch nahm sie unsere Hilfe zögernd, aber dennoch dankbar an. Eine große Stütze war uns hierbei ihr Sohn, der uns sehr viele Informationen über seine Mutter gab.
Ein großes Problem war allerdings weiterhin ihr Rotweinkonsum. Jeden Tag mussten wir ca. zwei bis vier Flaschen aus der Wohnung entfernen, da Frau Meier mehrmals am Tag zum Einkaufen ging. Durch den übermäßigen Genuss bekam sie regelmäßig Durchfall. Auch Säfte oder Kaffee vertrug sie nicht mehr. Auf Grund ihrer Demenzerkrankung vergaß sie immer wieder unsere Absprachen keinen Rotwein mehr zu kaufen usw. Aus diesem Grund regten wir beim Sohn, welcher eine Generalvollmacht für seine Mutter hatte, an, das Konto zu sperren. Dadurch wurde es uns möglich den Konsum von Alkohol ganz zu stoppen. Mit viel Geduld und Gesprächen gewöhnte sich Frau Meier daran, dass sie kein Geld mehr erhielt und nur noch mit uns zum Einkaufen gehen konnte. Nach einer Umstellung von Säften auf stilles Wasser kam der Durchfall weitestgehend zum Stillstand.
Des Weiteren begleiteten wir Frau Meier regelmäßig zum Arzt, zur Fußpflege, zum Friseur sowie zum Seniorentreff. Durch die konsequente und gleichbleibende Versorgung hat sich der Gesundheitszustand von Frau Meier soweit stabilisiert, dass sie im vergangenen Jahr eine Hüftoperation ohne Schwierigkeiten überstand und weiterhin in ihrer eigenen Wohnung leben kann. Sie geht auch gern alleine spazieren oder sitzt auf ihrer Terrasse, welche wir gemeinsam jedes Jahr mit Blumen bepflanzen...
… Frau Maier wurde von uns 9 Jahre versorgt und lebte trotz fortschreitender Altersgebrechlichkeit und Demenz bis zu ihrem Lebensende (2015) in ihrer eigenen Wohnung.
Dies ist ein Beispiel von vielen, welches wir mit unserer Arbeit in den letzten 18 Jahren erleben konnten. Durch die individuelle und ganzheitliche Versorgung unserer Klienten, ihren Lebensgewohnheiten entsprechend, wurde es uns möglich einen Weg zu finden ältere Menschen in ihrer eigenen Wohnung zu versorgen, welche sonst teilweise in einem Heim gegen ihren Willen untergebracht werden müssten.